Der erste militärische Einsatz von Atombomben über Hiroshima und Nagasaki brachte Zerstörungen eines Ausmaßes hervor, die in der westdeutschen Literatur als Spiegel und Steigerung des soeben beendeten area bombing über deutschen Städten reflektiert wurde. So erklärt sich, dass besonders science-fiction-Autoren begannen, nach Bildern zu suchen, in denen die erwachenden Ängste vor einem neuen, dieses Mal atomaren Krieg zum Ausdruck gebracht und zugleich beherrschbar gemacht werden konnten.
Festzustellen ist, das der atomare Schlagabtausch in der Literatur der späten 1940er sowie der 1950er Jahre nicht immer als echter Krieg daherkommt. Vielmehr ist in bestimmten Segmenten des Science-fiction-Marktes eine Art “Naturalisierung” der Katastrophe zu beobachten, die oft mit der unverhältnismäßigen Vermehrung von Tieren – besonders Insekten – in Verbindung gebracht wird. So imaginiert zum Beispiel Günter Eich im fünften Traum seines Hörspielklassikers “Träume”, dass Termiten als personifizierter fall-out Welt und Mensch von Innen her aushöhlen werden, so dass bei einem sich nähernden Gewitter plötzlich alles in sich zusammenbricht.
Entsprechend gehört zu den Motiven, die mit der Zeit zu einem regelrechten, literarischen Topos avancierten, die Empfehlung, die Kleinfamilie solle es den Termiten nachtun und sich auf ein Leben unter der Erde vorbereiten. Nur so könne das Überleben im Katastrophenfall gewährleistet werden.
Von den Regierungen geförderte Bunkerbauprogramme warfen ihrerseits die Frage auf, wie sich die westdeutschen bzw. us-amerikanischen Familien als Verband zu organisieren hätten, d.h. welche praktische Vorsorge und welches psychologisches Training das Leben (und Überleben) im Bunker fördern und damit die Wiederholung der Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg verhindern könne. Es ist diese Verbindung zwischen Erinnerung an das – allerjüngste – Gestern der späten 1940er und 1950er Jahre und den in dieser Zeit diskutierten Zukunftsvisionen, die im Zentrum meines Beitrags stehen soll.
Meine These besagt, dass Zerstörungen aller Art als denkbare Gefahr zugegeben wurden, nicht jedoch das Menschengemachte der Toten, obwohl diese in den Trümmern der bombardierten Städte Europas (Rotterdam, London, Warschau, Stalingrad, Hamburg, Dresden) zur Grunderfahrung des Zweiten Weltkriegs gehört hatten. Texte der Populärliteratur umgehen gemeinhin Reflexionen über die Frage, wer für einen “Dritten Weltkrieg” verantwortlich sein werde, setzen an die Ausmalung der politischen Ursachen, die zur Katastrophe führen, das Interesse an den Folgen. Dabei kristallisiert sich gerade in der Ratgeberliteratur zum Zivilschutz die Idee heraus, Radioaktivität sei ein natürliches Phänomen, ihre “künstliche” Herstellung in Form von Bomben also nichts weiter als die Verstärkung von etwas, womit die Menschheit ohnehin schon immer gelebt habe. Atomphysiker wie der Nationalsozialist Pascual Jordan betonen konsequenterweise, dass auch der Katastrophenschutz unter der Erde nichts revolutierend Neues darstelle, denn die zunehmenden Verkehrsprobleme in Ballungszentren machten ohnehin die Verlegung von Straßen unter die Erde nötig.
All diese “Naturalisierungs”-Tendenzen gipfeln in dem in Mainstream-Texten weit verbreiteten Gedanken, dass sich in Zukunft Wege und Mittel werden finden lassen, um die epistemologische Schwierigkeit zu umgehen, die sich bei dem Versuch ergeben, den Kontakt zu verseuchten Menschen, Objekten, Grossregionen oder ganzen Kontinenten zu umgehen: Da Radioaktivität mit keiner der menschlichen Sinne wahrnehmbar ist, muss die Literatur erneut Tiere als sinnliche “Ersatzapparate” erfinden, um die Katastrophe dann doch als vermeidbar hinstellen zu können.
Insgesamt zeigt der Großkorpus von amerikanischen und westdeutschen Texten, an dem ich meine Gedanken entwickeln möchte, dass die Antizipation katastrophaler Zukünfte durchaus vereinbar ist mit einer Verhaftung in der Vergangenheit, denn das, was als “ganz normales” Wissen aus der Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki hätte bekannt sein müssen (ich denke hier insbesondere an die verschiedenen Symptome der Strahlenkrankheit), werden in den genannten Texten wie selbstverständlich ausgeblendet.
Der Umgang mit künftigen Katastrophen stellt sich also als wesentlich widersprüchlich dar. Die Idee, das Gestern habe sein eigenes Morgen gehabt und dieses sei als unser eigenes Gestern erforschbar, geht davon aus, dass das einstige Morgen immer schon über das damalige Heute hinausgeschaut habe. Gerade der Science-Fiction-Literatur wird, da die Vorstellungen, wie wohl das Morgen aussehen könnte, zu ihrer ureigensten Domäne gehört, die Fähigkeit zugeschrieben, Kommendes zu antizipieren. Wenn es aber in der Vergangenheit – hier im Übergang vom Zweiten zum Kalten Krieg – Dinge gab, mit der sich die genannten Gesellschaften (hier die westdeutsche und US-amerikanische) nicht gern auseinandersetzten, etwas also, was aus bestimmten Gründen tabu-behaftet war, dann wirkte sich das auch auf die Zukunfts- und Katastrophenvisionen aus.