Als der General-Feldmarschall und Ingenieur Paul Ferdinand de Bohn im Frühjahr 1753 im kaiserlichen Auftrag die Flussverbauungen am Tiroler Inn als externer Gutachter in Augenschein nahm, kam er in einem Bericht vom 29. Mai 1753 zum Schluss, dass die meisten der vorhandenen Verbauungen in einem desolaten Zustand seien, weil sie nicht von Werkverständigen durchgeführt worden waren. Diese schädlichen Querverbauungen wurden in Tirol Wurfarchen genannt und sollten den Fluss vom einen, eigenen Ufer auf das andere ableiten, was häufig zu schweren Schäden auf der anderen Seite führte. Dem behördlich forcierten, integralen und das gesamte Einzugsgebiet umfassende Flussmanagement, wie es die 1746 gegründete Oberarcheninspektion anstrebte, war diese traditionell vorherrschende Verbauungsart ein Dorn im Auge. Die beiden Ziele der Wasserbaubehörde, die Sicherstellung der Schifffahrt sowie die Gewinnung von landwirtschaftlichen Nutzflächen, waren so nicht zu erreichen, „denn der Strohm ist wie eine stählerne Feder, je mehr man solche drückhen und zwingen will, je grösser wird ihr Widerstandt.“ Damit sprach sich de Bohn implizit für eine intensivere staatliche Wasserbautätigkeit aus – zumindest jedoch für verstärkte Kontrollen der verordneten Verbauungen.
Im Vortrag möchte ich dieses Vordringen des Staates und die daraus resultierenden Widerstände in der Bevölkerung am Beispiel des Wasserbaus am Tiroler Inn verdeutlichen. Dabei stelle ich folgende These zur Diskussion: Die Wahrnehmung dessen, was am Fluss als Gefahr eingestuft wurde, hing aufs Engste mit den Nutzungsinteressen der verschiedenen Akteure zusammen. Während die Wasserbaubehörde mit der „Geradleitung“ des Flusses eine sichere Schifffahrt anstrebte und dazu auf Längsverbauungen setzte, waren einzelne Gemeinden und Innanrainer vorwiegend daran interessiert, ihre eigenen Gründe mithilfe von Querverbauungen vor Hochwasser zu schützen. Aus den unterschiedlichen Interessen ergaben sich sowohl unterschiedliche Verbauungsarten als auch Wahrnehmungsweisen von Naturgefahren. Die „Geradleitung“ des Flusses wurde nicht nur durch die natürliche Dynamik des Flusses und dadurch entstehende Gefahren erschwert, sondern vor allem aufgrund divergierender Nutzungsinteressen. Der Fokus liegt deshalb auf einer detaillierten umweltgeschichtlichen Untersuchung verschiedener „sozionaturaler Schauplätze“ am Inn.
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1 Tiroler Landesarchiv, Sonderbehörden vor 1868, Akten der Landesbaudirektion, Oberarcheninspektor Rangger, Fasz. 3/35.