AGES

 

 Catastrophes, menaces et risques naturels

Natur und Umwelt: Risiken, Gefahren und Katastrophen

 

Congrès de l'AGES  -  10-12 juin 2021  -  MSH Clermont-Ferrand

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Der Villacher Bergsturz von 1348. Ein apokalyptisches Drei-Katastrophen-Jahr
Christian Domenig  1  
1 : Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Erdbeben sind bis heute Ereignisse, die sich nicht vorhersagen lassen. Allerdings gibt es an den kontinentalen Bruchzonen Gebiete, die als besonders gefährdet gelten. Dazu zählen Italien, der Balkan und das Alpengebiet. Dort schiebt sich die Adriatische Mikroplatte angetrieben von der Afrikanischen unter die Eurasische Kontinentalplatte. In diesem Gebiet kommen kleinere Erdbeben jedes Jahr vor, größere in jedem Jahrzehnt und Großbeben mindestens in einem Menschenalter. Am 25. Jänner 1348, zu Pauli Bekehrung, ereignete sich mit Epizentrum im nördlichen Friaul ein Erdbeben, das nicht nur zu Zerstörungen von Gebäuden führte, sondern eine Bergflanke des Dobratsch bei Villach in Kärnten zum Absturz brachte. Dabei versperrte der Schutt noch einen Flusslauf und verursachte durch Überschwemmungen eine Folgekatastrophe im unteren Gailtal.

Die historisch-anthropologisch interessante Fragestellung steckt dabei weniger im Faktum des Erdbebens, sondern in seiner Wahrnehmung und Überlieferung. In den unmittelbar in Villach entstandenen Quellen der Zeit wird das Erdbeben von 1348 praktisch nicht erwähnt, obwohl es dort große Schäden auch durch sofort ausbrechende Brände gegeben haben muss. Die Menschen in der zum Bistum Bamberg gehörenden Stadt scheinen ihr Schicksal akzeptiert zu haben und begannen stillschweigend mit dem Wiederaufbau. Im südlich des Dobratsch gelege- nen Benediktinerkloster Arnoldstein, wo man den Bergsturz besser beobachten konnte, wusste man aber die Katastrophe zu instrumentalisieren. Die Zerstörungen dienten dazu, gleich mehrere Pfarren in der Umgebung in das Kloster zu inkorporieren. Um die Argumente vor dem zu- ständigen Patriarchen von Aquileia plausibel zu machen, setzten die Mönche auf Dramatisie- rung und Verbreitung der Ereignisse. Das Erdbeben von 1348 wird so zu einer apokalyptischen Katastrophe eingebettet in die Pestepidemie und eine Heuschreckenplage, die ebenfalls 1348 Europa heimsuchten. Gerade das Kloster Arnoldstein förderte die Verbreitung des Wissens um das Erdbeben, sodass es sich in den folgenden Jahrzehnten in Chroniken von Florenz bis Danzig und Straßburg bis Krakau niederschlug. Mit der Distanz wurde es in den Ausmaßen sogar noch gesteigert. Damit gilt es bis heute als eines der gewaltigsten Erdbeben. Eine Katastrophe ist also, was man daraus macht.


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