AGES

 

 Catastrophes, menaces et risques naturels

Natur und Umwelt: Risiken, Gefahren und Katastrophen

 

Congrès de l'AGES  -  10-12 juin 2021  -  MSH Clermont-Ferrand

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Pompeji – aus der natürlichen zur seelischen Katastrophe
Leena Eilittä  1  
1 : Université de Helsinki

In diesem Vortrag möchte ich die Reaktionen zur Naturkatastrophe von Pompeji aus der deutschen Kulturgeschichte analysieren. Meine Beispiele stammen vor allem von J. W. von Goethe, der Pompeji während seiner italienischen Reise 1787 besuchte, und von Sigmund Freud, der 1902 in Pompeji war. Die unterschiedlichen Reaktionen der beiden Intellektuellen zu den Ruinen von Pompeji deuten auf sehr verschiedene Deutungen zu dieser Naturkatastrophe.

Goethe schrieb mehrere Bemerkungen in seinen Reisebüchern über Pompeji wobei er die Stadt, Ruinen und auch Umgebung kommentiert. Zuerst vermitteln seine Bemerkungen Unzufriedenheit, sogar Irritation mit der Stadt und seine Häuser, die offensichtlich seinen Erwartungen nicht entsprechen. Die Stadt kommt ihm eng vor und seine Häuser - wie Villa Palagonia mit ihren Ornamenten und Arabesken - zu dekorativ. Bei näherer Betrachtung inspiriert Pompeji ihn zu positiveren Bemerkungen vor allem über das Grab von Mamia, das einen schönen Blick zur Bucht von Neapel anbot. Schließlich verlässt Goethe die Stadt mit den Worten, dass er kaum so “etwas Interessantes“ als Pompeji kennt, eine Stadt, die “den Nachkommen so viel Freude“ gegeben hat.

Einen ganz anderen Zugang zu Pompeji findet Sigmund Freud in seinem Essay “Der Wahn und die Träume in W. Jensens Gradiva“ aus dem Jahre 1908. Sein Essay basiert auf dem Roman von Jensens “Gradiva – ein pompejisches Phantasiestück“ aus 1903. Der Roman des dänischen Autors berichtet über einen deutschen Archäologen Hanold, der in seinen Forschungen über Italien so vertieft ist, dass er seine Jugendliebe Zoe vernachlässigt und scheinbar vergisst. In dem Vatikanischen Museum sieht er ein Relief einer Frau, die er „Gradiva“ nennt, und die seine Aufmerksamkeit vor allem wegen ihres schönen Gangs zieht. Als er nach Hause zurückgehrt hat er einen Alptraum, in dem er sich in Pompeji wiederfindet. Er erlebt die Explosion des Vesuv in welcher er selbst verschont bleibt, aber sieht wie Gradiva, die er in dem Traum vor kurzem angesprochen hatte, umkommt. Gradiva wird auf den Stufen des Apollotempels von Lava verschüttet, so dass sie sich schließlich die Abbildung des Reliefs ähnelt. Besessen von der Idee, Gradiva in Pompeji zu suchen, entscheidet Hanold sich wieder nach Italien zurückzukehren. Er fährt über Rom nach Neapel bis er Pompeji erreicht, wo er auf den Straßen herumirrt, sich Gedanken über sein Leben macht und schließlich eine Frau trifft, die ihn an Gradiva erinnert. Während der Zeit in Pompeji gelingt es Hanold über seine Ängste zu besiegen, bis er erkennen kann, dass die Frau ihre Jugendliebe Zoe ist, die er wiederfindet. Für Freuds Analyse von Jensens Erzählung ist wichtig, dass der Wahn, der in Hanold entsteht, im Traum seiner Verwirklichung findet und dieser Traum die typischen Freud ́schen Mechanismen zeigt wie Verdrängung und Verstellung. Die Naturkatastrophe von Pompeji wird dabei zu einer seelischen Katastrophe, welche die Gefühle von Hanold zuerst versteckt aber schließlich wiederfinden lässt -ähnlich zu Ausgrabungen von Pompeji.


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